|
|
Jahr 2011
|
|
Im Haus meines Vaters gibt
es viele Wohnungen Wir Menschen haben das Talent,
in allen möglichen und unmöglichen Situationen Gräben zu
ziehen, aber auch Gräben zu überspringen. Dies erleben tagtäglich
auch die Christen in Jerusalem, wo griechisch-orthodoxe,
römisch-lateinische, syrische, armenische, äthiopische Abessiner
und ägyptische Kopten seit Jahrhunderten trickreich und
erbittert um ihren Anteil an der Kirche streiten, die anno
325 über dem Jesus-Grab errichtet wurde.
|
|
|
|
|
|
Als Grabeskirche
oder Kirche vom heiligen Grab wird die Kirche in der Altstadt
Jerusalems bezeichnet, die sich an der überlieferten Stelle
der Kreuzigung und des Grabes Jesu befindet. |
|
|
|
|
|
|
Der Film von Hajo
Schomerus spielt ausschließlich in der Grabeskirche und
zeigt eindrucksvoll, wie sie sich fest in der Hand sechs
christlicher Konfessionen befindet.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Hauptverwaltung
der Kirche haben die griechisch-orthodoxe, die römisch-katholische
Kirche, vertreten durch den Franziskaner-Orden, und die
armenische apostolische Kirche inne. Im 19. Jahrhundert
kamen die syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien, die Kopten
und die äthiopisch-orthodoxe Tewahedo-Kirche hinzu. Sie
bekamen nur einige kleinere Schreine und Aufgaben zugeteilt,
die Äthiopier leben in einer kleinen Gruppe nur auf einem
Dach der Kirche.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Dieses Deir al-Sultan-Kloster
wird auch von den Kopten beansprucht und ist seit 2004 einsturzgefährdet.
Der Streit verhindert jedoch eine Renovierung. Protestantische
Konfessionen sind in der Kirche nicht vertreten, sie besitzen
mit der Erlöserkirche eine eigene Kirche an der Via Dolorosa.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die israelischen
Behörden beließen die festgesetzte Aufteilung (Status quo),
nachdem die Altstadt Jerusalems nach dem Sechstagekrieg
1967 unter ihre Verwaltung kam. Die komplizierten Besitzverhältnisse
erschweren bauliche Maßnahmen sehr, da jede Veränderung
eine Verletzung des Status quo verursachen könnte.
|
|
|
|
|
|
So steht zum
Beispiel eine längst sinnlos gewordene Holzleiter an der
Fassade über dem Hauptportal, die niemand entfernen kann.
Sie diente im 19. Jahrhundert den Mönchen zum Einstieg in
die Kirche, wenn die Tore behördlich geschlossen waren.
Seit vielen Jahrzehnten laufen Bestrebungen, sie zu entfernen,
doch ist es nicht geregelt, wer das Recht dazu hätte. |
|
|
|
|
|
|
Nicht nur der
Besitz in der Kirche ist genau geregelt, sondern auch, wer
wann wo wie lange beten darf. So muss zum Beispiel das Grab
für die tägliche Prozession der Franziskaner von den Orthodoxen
frei gemacht werden.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Besonders kritisch
wird die Situation immer zu Ostern, wenn alle Kirchen das
Hochfest der Auferstehung feiern. Da die Katholiken selten
am Termin der Ostkirche feiern, kommt es da vor allem zum
Konflikt unter den Orthodoxen. So kommt es gelegentlich
sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen Mönchen wegen der
nicht eingehaltenen Gebetsordnung. Auch während der Sperrzeiten
in der Nacht bleiben Mönche aller Konfessionen in der Kirche.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Wegen der Streitigkeiten
verwahrt die moslemische Familie Joudeh seit mehreren Jahrhunderten
die Schlüssel der Kirche und die ebenfalls moslemische Familie
Nusseibeh schließt die Haupttür morgens auf und abends wieder
zu.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Außerdem traten
die Familienmitglieder oft als Schlichter auf. Die Joudehs
und Nusseibehs werden mindestens seit der Zeit Saladins
mit der Kirche in Verbindung gebracht. Auch sie haben unterschiedliche
Sichtweisen, wer von ihnen die bedeutendere Aufgabe hat.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Pater Robert Jauch, OFM, spricht am Ende
des Films den vieldeutigen Satz: "Die Gefahr ist immer
da, dass Jesus neben mir steht und ich hau' ihm auf die
Schulter und sag': 'Was willst du denn hier?'"
|
|
|
|
|
|
Fazit zum
Film: Es ist wie die Reise nach Jerusalem, komisch
und traurig zugleich, wenn das Allzumenschliche in den altehrwürdigen
Mauern regiert, wo Prozessionen, Zeremonien und Liturgien
dicht gedrängt nacheinander, nebeneinander, übereinander
statt finden. Dann kulminieren die Gebete und Gesänge zu
einer schrillen Kakophonie, bis man sich im Sprachgewirr
des Turms zu Babel wähnt. Und dazwischen: ein seltener Moment
der Stille, als der palästinensische Schlüsselwächter die
tonnenschweren Türen schließt. Aber Schomerus hat keine
Anleitung gefilmt, wie man das Haus des Vaters entweiht.
Er bleibt respektvoll auf Distanz und stellt den Glauben
nicht in Frage. Es ist das menschliche Miteinander oder
oft auch Gegeneinander, das er aufmerksam registriert. |
|
|
|
|
|
|
Eine andere Form
kurzen menschlichen Miteinanders während einer schlimmen
Phase des unmenschlichen Gegeneinanders zeigte der
Kurzfilm "Weihnachten 1914". Mehr als 100.000
Soldaten feierten über alle Schützengräben und Befehle hinweg
ein gemeinsames Weihnachtsfest. |
|
|
Es waren nur kurze, flüchtige Momente
der Menschlichkeit, die vielen kleinen improvisierten
Weihnachtsfeiern von Menschen, die noch am Tag zuvor
Todfeinde gewesen waren und es wenig später wieder
wurden. Unter Androhung standrechtlicher Erschießung
wurden nur Stunden oder Tage später die Kampfhandlungen
befehlsgemäß wieder aufgenommen...
|
|
|
|
|
"Es klingt kaum glaubhaft,
was ich euch jetzt berichte, ist aber pure Wahrheit",
schrieb ein gewisser Josef Wenzl vom bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment
16 am 28. Dezember 1914 an seine Eltern: "Kaum fing
es an Tag zu werden, erschienen schon die Engländer und
winkten uns zu, was unsere Leute erwiderten. Allmählich
gingen sie ganz heraus aus den Gräben, unsere Leute zündeten
einen mitgebrachten Christbaum an, stellten ihn auf den
Wall und läuteten mit Glocken... Zwischen den Schützengräben
stehen die verhassten und erbittertsten Gegner um den Christbaum
und singen Weihnachtslieder. Diesen Anblick werde ich mein
Leben lang nicht vergessen."Das Ereignis ist tausendfach
dokumentiert, in Tagebucheinträgen und Briefen an die Angehörigen.
Einige davon wurden beim Filmabend vorgelesen. Dabei wurden
noch Originalaufnahmen gezeigt. Hier können Sie ein paar
Bilder und
Auszüge aus Tagebucheinträgen und Briefen vom spontanen
Weihnachtsfrieden sehen und lesen.
Was bleibt ist der Moment, von dem man heute noch spricht,
der heute noch zitiert wird, wenn es darum geht, aufzuzeigen,
welche Hürden Menschen überwinden können, um wieder zueinander
zu finden.
Der Weihnachtsfrieden 1914 war ein von der Befehlsebene
nicht autorisierter Waffenstillstand während des Ersten
Weltkrieges am 24. Dezember 1914 und an den folgenden Tagen.
Er fand an einigen Abschnitten der Westfront statt, wo es
vor allem zwischen Deutschen und Briten in Flandern zu spontanen
Verbrüderungen kam. Man geht heute davon aus, dass mindestens
100.000 Soldaten der an der Westfront kämpfenden Parteien
an dem Waffenstillstand teilgenommen haben, hauptsächlich
Briten und Deutsche, aber auch Franzosen.
|
|
|
|
|
|
|
Was ist Toleranz?
Wo sind die Grenzen der Toleranz? Die Mitgliedstaaten
der UNESCO verabschiedeten auf der 28. Generalkonferenz
(Paris, 25. Oktober bis 16. November 1995) eine
Erklärung zum Thema Toleranz. Darin wird Toleranz nicht
nur als ein hochgeschätztes Prinzip, sondern als eine notwendige
Voraussetzung für den Frieden und für die wirtschaftliche
und soziale Entwicklung aller Völker angesehen.
|
|
|
Was aber ist zu tun, wenn wir "Opfer"
von Intoleranz werden? Das
Gedicht vom "Riesen" veranschaulicht, wie
sehr wir doch in die Defensive geraten können. Wie können
wir dem Riesen entkommen, der uns, oder auch nur einen Teil
von uns "fressen" will. Was können wir entgegenhalten?
Hier hilft eine bildliche Betrachtung. Was passiert mit
uns, wenn wir in Stress oder aus dem Gleichgewicht geraten?
Wenn unser
"Stresshäfele"
bis an den Rand gefüllt ist, droht es sich schlagartig zu
entleeren. Jedes vernünftige Denken findet dann sein Ende
und unser Gehirn läuft im "Urzeitmodus", auf Reptilienniveau.
Möglichkeiten des geregelten Abflusses aus diesem "Stresshäfele"-Gefäß
schaffen Entspannungstechniken. Ein weiterer Weg Konfliktsituationen
zu entschärfen, ist die entsprechende Ausgestaltung der
Kommunikation. Toleranz darf ja nicht zum "Ertragen"
oder "Aushalten" verkommen. Der Ansatz, dass
das Gegenteil von Liebe nicht Hass, sondern Angst bzw. Furcht
sind, kann hier erkenntnisreich sein. Oft kennen wir das "Objekt
unseres Leidens" nur nicht gut genug, gewähren unsere
Liebe erst, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Der
Gedanke kann mit einer Idee verbunden werden, nämlich: "Alles
verstehen heißt alles verzeihen!"
"Liebet Eure Feinde!" Warum wiederholt
Jesus eine Forderung der alten judäischen Tradition?
Weil es Spaß macht, Leute ins Herz zu schließen, die man
ablehnt (hasst)? Wohl kaum! Sondern weil diese Leute nur
so lange Feinde bleiben (können), wie wir sie (ihre Situation,
ihre Ängste, ihre Beweggründe, ihre Ziele etc.) nicht verstehen.
Frieden öffnet! Frieden öffnet den Geist und das Herz.
Kampf verschließt Herz und Hirn. In dem Maß, in dem unser
innerer Frieden zunimmt, begegnen wir weniger "Krieg"
im Außen.
Hilfreich ist hier das Modell von Rosenberg, das sich
an der Beobachtung und Beschreibung der Situation (ohne
Wertung), dem Ausdruck der eigenen Gefühle, dem Mitteilen
der eigenen Bedürfnisse und der Bitte um konkrete Handlungen
orientiert.
Ein Modell zeigt: Das eigene Gleichgewicht - der innere
Frieden - Selbstwertgefühl - steht auf fünf Säulen: 1.
Leistung, Arbeit, Status 2. Familie, Freunde, Kollegen
3. Muße, Hobby, Spiel 4. Körper, Gesundheit, Krankheit,
Sexualität 5. Philosophie, Spiritualität, Religion
Versuchen wir, Toleranz doch in diesem Sinne zu verstehen!
Franz Thoma
|
|
|
|
|
|
|
|
|